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Steuerrecht Schloss Nordkirchen e.V.

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Vortrags-
Veranstaltung 22 - 27.11.2017

Das Krisensteuerrecht in der Krise

Die Besteuerung von Sanierungsgewinnen - ein Thema, das seit einem Jahr für große Aufregung in der steuerrechtlichen Landschaft sorgt - stand im Mittelpunkt der 22. Vortragsveranstaltung des Forums Steuerrecht Schloss Nordkirchen.

Es war ein rechtlicher Paukenschlag, als der Große Senat des Bundesfinanzhofs mit Beschluss vom 28.11.2016 feststellte, dass der seit 2003 praktizierte sogenannte "Sanierungserlass" der Finanzverwaltung (BMF vom 27.03.2003 und vom 22.12.2009) gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstoße - eine Hiobsbotschaft für alle Beteiligten, insbesondere für Unternehmen in der Krise, die auf schnelle und rechtssichere Entscheidungen angewiesen sind.

Wie ist diese Entscheidung rechtlich zu bewerten und wie geht es nun weiter für die betroffenen Steuerpflichtigen? Wie werden Sanierungsgewinne in Zukunft besteuert und worauf kann man in der Übergangszeit vertrauen? Gibt es steuerrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten, um die bestehende Rechtsunsicherheit zu umschiffen?

Drei exzellente Fachleute standen am 27.11.2017 im Festsaal der Oranienburg auf dem Podium und boten den Zuhörern eine Einschätzung der Situation jeweils aus ihrer besonderen Perspektive: Prof. Dr. Marcel Krumm, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht und Steuerrecht an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Ministerialrat Gregor Kirch, zuständiger Referatsleiter im Ministerium der Finanzen Nordrhein-Westfalen, sowie Rechtsanwalt und Steuerberater Dr. Günter Kahlert, Partner in der Sozietät Flick Gocke Schaumburg.

Der Gesetzgeber hat nach der Entscheidung des Großen Senats vom 28.11.2016 umgehend reagiert. Bereits am 27.04.2017 beschloss der Bundestag neue gesetzliche Regelungen zur Besteuerung von Sanierungsgewinnen, u.a. § 3a EStG n.F.. Die Zustimmung des Bundesrates folgte am 02.06.2017. Aber damit ist die Rechtunsicherheit noch nicht beseitigt, denn das neue Regelwerk hängt vom "Segen" der EU-Kommission ab. Erst wenn die Kommission feststellt, dass die neuen Vorschriften des Einkommensteuer,- Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuergesetzes keine unionsrechtswidrige staatliche Beihilfe darstellen, treten diese in Kraft.

Um die Wartezeit zu überbrücken, hat das BMF mit Schreiben 27.04.2017 eine Übergangsregelung geschaffen, die den betroffenen Steuerpflichtigen in weiten Teilen Vertrauensschutz bietet. Allerdings ist auch diese Übergangsregelung in der aktuellen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs auf deutliche Kritik gestoßen. Wenn der Sanierungserlass gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung verstoße, dann gelte das auch für die Übergangsregelung.

Dieser Auffassung des Bundesfinanzhofs ist Prof. Dr. Marcel Krumm mit Nachdruck entgegengetreten. Zwar seien die Argumente des Großen Senats in der Entscheidung vom 28.11.2016 nachvollziehbar, wenn auch nicht zwingend. Mit seiner jüngsten Kritik an der Übergangsregelung verstoße der Bundesfinanzhof allerdings selbst gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung, denn die Abwägung, ob Vertrauensschutz zu gewähren sei, gehöre zu den ureigenen Kompetenzen der Verwaltung. Eine verantwortungsvolle Vergangenheitsbewältigung sei auch in ökonomischer Hinsicht ein Wert an sich. Dass der ursprüngliche Sanierungserlass als rechtswidrig angesehen werde, stehe dem nicht entgegen, denn Vertrauensschutz setze hier gerade Rechtswidrigkeit voraus.

Wie die Übergangsregelung inhaltlich ausgestaltet ist und wie das neue Gesetz aussieht, erläuterte anschließend Ministerialrat Gregor Kirch äußerst fachkundig und in allen Facetten. Dabei beschränkte er sich nicht auf die Darstellung des komplexen Regelwerks, sondern ergänzte eigene hilfreiche Hinweise und anschauliche Beispiele. Das neue rechtliche Fundament steht also bereit. Nun bleibt zu hoffen, dass die EU-Kommission möglichst bald zu einer positiven Entscheidung kommt. Mit dieser ist nach Aussage von Gregor Kirch nicht vor Anfang 2018 zu rechnen.

Dr. Günter Kahlert wählte einen vollkommen anderen Ansatz. Er betonte gleich zu Beginn seines Vortrags, es gehe auch ohne die neuen Vorschriften Dies habe das vergangene Jahr gezeigt. Trotz der "Krise des Krisensteuerrechts" bleibe die Zeit für die betroffenen Unternehmen nicht stehen, bis die Rechtsunsicherheit beseitigt sei. Deshalb gelte es, andere Wege zu finden und zwar durch Verschiebung des Problems. Sanierungsgewinne sollten nach Möglichkeit gar nicht erst entstehen. Dr. Kahlert bot gleich mehrere Gestaltungsvarianten, die dies ermöglichen.

Darüber hinaus hinterfragte er kritisch, ob es wirklich richtig sein könne, dass die Sanierung von Unternehmen nach deutschem Steuerrecht von der Zustimmung der EU-Kommission abhängig sei, in anderen Ländern dagegen nicht. Österreich und Holland beispielsweise umgehen dieses Problem durch eine andere rechtliche Ausgestaltung. Dort stelle sich die Frage einer ggf. ungerechtfertigten staatlichen Beihilfe gar nicht erst. Es darf aber nicht von der rechtlichen "Technik" abhängen, ob sich ein Problem auf EU-Ebene ergibt oder nicht, kritisierte Dr. Kahlert. Ein Einwand, der nachdenklich stimmt.

Zum Abschluss rundete Prof. Dr. Christoph Uhländer, auch ausgewiesener Experte dieser Materie, die Veranstaltung mit einigen treffenden Anmerkungen zum Thema ab. Wenn der Zeitrahmen es noch zugelassen hätte, wäre dies genügend Stoff für weitere interessante Diskussionen gewesen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die 22. Veranstaltung des Forums war die letzte für Prof. Dr. Jürgen Hidien in seiner Funktion als 2. Vorsitzender des Forums Steuerrecht. Prof. Dr. Uhländer, 1. Vorsitzender des Forums, verabschiedete ihn mit warmherzigen Worten und einem besonderen Dank in den Ruhestand. Prof. Dr. Hidien hat als Gründungsmitglied und 2. Vorsitzender von Beginn an die Geschicke ganz maßgeblich mitgestaltet. Schön, dass er dem Forum als Mitglied erhalten bleibt!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Thema:

Die Entscheidung des Großen Senats aus Sicht der Steuerwissenschaft

Referent:

Herr Prof. Dr. Marcel Krumm,
Institut für Steuerrecht, Universität in Münster

 

 

Thema:

Die Reaktion der Finanzverwaltung auf die Entscheidung des GrS

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Referent:

Herr Ministerialrat Gregor Kirch,
Referatsleiter im Ministerium der Finanzen NRW

 

 

Thema:

Aktuelle Beratungsansätze von Unternehmen in der Krise / Sanierung

Download Powerpoint-Präsentation als PDF

Referent:

Herr RA / StB Dr. Günter Kahlert,
Partner Flick Gocke Schaumburg (Hamburg)

 

 

Ort:

Fachhochschule für Finanzen NRW - Festsaal Oranienburg

Zeit:

Montag, 27.11.2017

Herr RA / StB
Dr. Günter Kahler,

Partner Flick Gocke Schaumburg (Hamburg)

 

Herr Ministerialrat
Gregor Kirch

Referatsleiter im Ministerium der Finanzen NRW

 

Herr Prof.
Dr. Marcel Krumm,

Institut für Steuerrecht, Universität in Münster